Center for Uncertainty Studies Blog
CeUS Pressespiegel #7: Umsturz und Unsicherheit in Syrien
Herzlich Willkommen zur siebten Ausgabe des CeUS Pressespiegels!
In diesem Format stelle ich alle zwei Wochen spannende Artikel aus dem deutschsprachigen Journalismus rund um Unsicherheit, Ungewissheit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zusammen. Die letzte Ausgabe dieses Jahres dreht sich um den Sturz des syrischen Assad-Regimes. Unsicherheiten finden sich nicht nur in Syrien selbst, bei Menschen, die Syrien während des Bürgerkriegs verlassen haben, sondern auch in der Weltpolitik.
Alle großen deutschen Zeitungen widmen dem Thema Leitartikel. "Für ein freies Syrien" (taz, 14.12.2024) führt Karim El-Gawhary Lesende durch einen Ort, dessen Inneres lange völlig abgeschottet war: ein Geheimdienstgebäude im Zentrum von Damaskus. Der Autor schildert nicht nur die schreckenerregenden Spuren der Folter und Unterdrückung, sondern versucht sich auch an einer Momentaufnahme der Stadt im Umbruch.
Die ZEIT wagt in "Das Ende der Assad-Herrschaft ist eine gute Nachricht" (08.12.2024) einen Überblick über Reaktionen auf den Sturz des syrischen Diktators durch die islamistische Vereinigung Haiʾat Tahrir asch-Scham. Neben den hoffnungsvolleren Visionen aus westlichen Staaten reagierte der jordanische König mit Warnungen vor einem Abgleiten ins "Chaos".
Der Spiegel porträtiert den Anführung des Rebellenbündnisses Abu Mohammad al-Dschaulani in "Der Mann, der Assad stürzte" (13.12.2024). Über seine genaue Vergangenheit herrscht ebenso große Unsicherheit wie über die Ernsthaftigkeit der moderaten Aussagen, die er jüngst im Hinblick auf die Zukunft Syriens machte.
In der Süddeutschen Zeitung werden Syrerinnen und Syrer in Deutschland zur Lage in ihrem Heimatland und ihrer aktuellen Situation interviewed ("Wir werden unser Leben nicht für 1000 Euro riskieren", 14.12.2024). Neben der Erleichterung nach Assads Sturz und lang ersehnten Gesprächen geht es auch um die unklare Zukunft und große Zweifel daran, ob Syrien ein sicherer Ort für alle werden wird.
Unsicherheit besteht auch über den Ausgang laufender Asylverfahren in Europa lebender Menschen aus Syrien. Die NZZ widmet mit "Europa sucht einen neuen Umgang mit syrischen Flüchtlingen" diesem Thema einen Artikel. Deutschland, die Schweiz und weitere Ländern haben Verfahren pausiert, doch u.a. wie der Umgang mit den neuen Machthabern aussehen wird, ist noch völlig unklar.
Der Umbruch in Syrien und die mit ihm einhergehende Unsicherheit kann auch dazu einladen, sich (wieder einmal) mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. In "Leben wir in einem bedeutenden Land?" (SZ, 20.12.2024) empfiehlt Herfried Münkler das neue Buch des amerikanischen Historikers David Blackbourn. "Die Deutschen in der Welt. Siedler, Händler, Philosophen: Eine globale Geschichte vom Mittelalter bis heute" lässt rein nationalstaatliche Sichtweisen hinter sich und betrachtet Deutschland aus globaler Perspektive. Gut möglich, dass die Lektüre auch vor vorschneller Sicherheit in Bezug auf eine "deutsche Identität" schützen kann.
Haben Sie schöne Feiertage und kommen Sie gut ins neue Jahr!
Adrian Strothotte