Center for Uncertainty Studies Blog
CeUS Pressespiegel #22: Von „konstruktivem Patriotismus" zum Jugendwort des Jahres
Herzlich willkommen zur 22. Ausgabe des CeUS Pressespiegels!
In diesem Format stelle ich spannende Artikel aus dem deutschsprachigen Journalismus rund um Unsicherheit, Ungewissheit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zusammen. In dieser Woche geht es neben Zeitdiagnosen aus der Soziologie und Sozialreformen auch darum, was das Jugendwort des Jahres mit Unsicherheit zu tun hat.
Der Spiegel bietet mit „Was für die Liebe gilt, gilt auch für die Politik" (06.11.2025) einen Ritt durch aktuelle Zeitdiagnosen aus den Sozialwissenschaften an. Aufhänger ist hier das Erscheinen des neuen Buchs von Aladin El-Mafaalani mit dem Titel „Misstrauensgemeinschaften". El-Mafaalani betont die Bedeutung von Vertrauen zur Bekämpfung politischer Unsicherheit und sieht heute Misstrauen an Boden gewinnen – ähnlich wie Reckwitz, Frevert oder auch Amlinger und Nachtwey. Angenehm dürfte hier sein, dass El-Mafaalani im Gegensatz zu den genannten Autor:innen mit nur 128 Seiten auskommt.
Vertrauen, aber auf was? Dennis Chiponda freundet sich in der taz mit der Idee eines „konstruktiven Patriotismus" (Jan Christopher Cohrs) an („Ich, ein Patriot?", 08.11.2025). Konstruktive Patrioten, das seien „Menschen, die ihre Heimat lieben, andere nicht abwerten, demokratische Werte vertreten und kritisch den Staat beobachten." Chiponda hofft, dass auch bei deutschen Linken die Bereitschaft wächst, über solche Angebote zu sprechen und nicht – wie 1989 – die Chance auf geteilte Werte zu verpassen.
Ein Streitthema, bei dem zurzeit große Unsicherheit herrscht, sind die immer wieder diskutierten Sozialreformen. Christine Fuchsloch, Präsidentin des Bundessozialgerichts, wird von der FAZ zu den anstehenden Veränderungen interviewt („Das Rentenalter muss irgendwann angehoben werden", 09.11.2025). Die Ausführungen von der Sozialrichterin Fuchsloch fallen gewissermaßen deeskalierend aus: Totalverweigernde Bürgergeldempfänger habe sie praktisch nicht erlebt, psychische Probleme und Handicaps überwögen. Sie wünscht sich Gespräche über Reformen und Komplexitätsabbau ohne Angst.
Joshua Schößler betitelt gerade so („Angst", FAZ, 23.10.2025) seinen Artikel zum Jugendwort des Jahres „das crazy". Auffällig sei, dass alle vergangenen Jugendwörter und auch viele in der aktuellen Auswahl entweder mit „gruppenbezogenen Unsicherheiten" (cringe, goofy) oder aber mit Sex zu tun haben (goonen). Möglicherweise setzt sich auch hier die aktuelle Tendenz durch, das Gesellschaftliche vor allem als etwas Unsicheres, Prekäres zu denken – oder aber Jugendwörter bilden tatsächlich jugendliche Themen ab.
Aus dem Bereich der Bücher und anderer Medien sei diese Woche der Roman „Die Wut ist ein heller Stern" von Anja Kampmann empfohlen. Die Kritik in der Süddeutschen Zeitung („Ein großes Gedicht", 23.10.2025) stellt neben der spürbar lyrischen Grundierung des Werkes auch die Unsicherheit des Szenarios in den Vordergrund: Der Roman spielt in einem Hamburger Varieté während des Nationalsozialismus.
Kommen Sie sicher durch die Woche!
Adrian Strothotte