Blog CRC1646
Was uns an Sprache fasziniert. Nachlese zur VHS-Veranstaltung #3
„Wovon hängt es ab, ob kreativer Sprachgebrauch gelingt?“: Diesem Thema war unsere dritte Veranstaltung in der VHS-Reihe „Faszination Sprache“ gewidmet, zu der das Team des Projekts A06 am 12. Mai 2025 in Austausch mit sprachinteressierten Bürger*innen kam.
Was ihn an Sprache fasziniert, machte Dr. Said Sahel gleich zu Beginn seiner Einführung ins Thema deutlich: Obwohl es uns so vorkommt, als würde sich die Sprache ohne unser Mittun wandeln, beeinflussen wir durch die Art und Weise unserer Kommunikation Sprachwandel aktiv mit. Durch Beispiele gegenwärtig ablaufenden Sprachwandels wird die Variabilität des Deutschen besonders greifbar. Anhand eines Ratings von Konstruktionen wie „Anna ist am Kochen, als ihre Mutter anruft“ und „Ich bin den Film am Kennen.“ konnte das Publikum sein Sprachempfinden walten lassen und individuell beurteilen, inwieweit ihm solche Formulierungen hier und heute als üblich erscheinen.
Wie Prof. Dr. Tanja Ackermann danach ausführte, gehen derartige „am-Progressiv“-Konstruktionen bis ins 15./16. Jahrhundert zurück und werden allerdings heute innerhalb des deutschen Sprachgebiets unterschiedlich bewertet. Der gemeinsame Blick in den Atlas zur deutschen Alltagssprache verriet: Im Rheinland sind Sätze wie „Ich bin am Schlafen.“ oder „Ich bin die Uhr am Reparieren.“ häufiger zu finden als in Westfalen oder Niedersachsen. So spiegeln sich unterschiedliche Phasen eines Sprachwandelprozesses auch in geographischen Unterschieden. Wie das Live-Experiment zur Formulierung „Ich fahre E/essen.“ demonstrierte, kann die eigene Sprachbiographie darüber mitentscheiden, wie die Äußerung interpretiert wird.
Weitere Beispiele verdeutlichten an diesem unterhaltsamen und lehrreichen Abend, wovon es abhängen kann, ob zunächst ungewöhnliche Formulierungen sich einbürgern und irgendwann als normal empfunden werden. Am Schluss war es sogar möglich, einen Eindruck davon zu bekommen, wie die historische Sprachwissenschaft heutzutage vorgeht. In der Forschung können einzelne Wörter und Wendungen in digitalisierten Textkorpora recherchiert und ihre sprachlichen Eigenschaften bestimmt werden. So kann der Blick in die Geschichte auch dabei helfen, gegenwärtig ablaufenden Sprachwandel zu verstehen und einzuordnen.
Neben den beiden oben genannten Forscher*innen waren Dr. Désirée Kleineberg und Rebekka von Legat von A06 sowie das Projekt Ö an der Entwicklung der Veranstaltung beteiligt.
Die Veranstaltungsreihe "Faszination Sprache" in der VHS Bielefeld wird im Wintersemester 2025/26 mit weiteren Themen und Projektgruppen fortgesetzt.
Said Sahel (A06) © Sascha Hermannski, SFB 1646
Tanja Ackermann (A06) © Sascha Hermannski, SFB 1646
Projekt A6:
hintere Reihe v.l.n.r.: Barbara Job, Tanja Ackermann, Said Sahel
vordere Reihe v.l.n.r.: Rebekka von Legat, Désirée Kleineberg
© Sascha Hermannski, SFB 1646