Center for Uncertainty Studies Blog
CeUS Pressespiegel #14: Zeitdiagnosen und unsichere Erinnerungen
Herzlich willkommen zur 14. Ausgabe des CeUS-Pressespiegels!
In diesem Format stelle ich alle zwei Wochen spannende Artikel aus dem deutschsprachigen Journalismus rund um Unsicherheit, Ungewissheit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zusammen.
Sonja Zekri verabschiedet in der Süddeutschen Zeitung („Es war einmal ‚der Westen‘“, 21.04.2025) die Idee einer westlichen Zivilisation. Statt Verluste zu betrauern und Unsicherheit zu fürchten, solle man jedoch lieber danach fragen, ob es den „Westen“ jemals gegeben hat – und Hoffnungen in demokratische Proteste setzen.
„Wir erleben gerade den zweitgrößten Unsicherheitsschock seit der Jahrtausendwende“ – zu dieser Diagnose kommt der Journalismus-Professor Henrik Müller (SPIEGEL, 20.04.2025). Der Autor zieht den Uncertainty Perception Indikator (UPI) heran, dessen aktuelle Werte nur vom Beginn der Corona-Pandemie 2020 übertroffen werden. Müller hofft derweil auf eine Stabilisierung durch eine etwaige schwarz-rote Regierung.
Erinnerungen aus der Kindheit sind hochgradig unsicher. In „Was geschah wirklich in der Kindheit?“ (SZ, 24.04.2025) geht es um die Wandelbarkeit und Abhängigkeit kindheitlicher Erinnerung von der Gegenwart, aber auch um die Schwierigkeiten bei der Erforschung des Phänomens.
Dass Amnesie auch, vielleicht sogar in besonderem Maße, kollektive Ereignisse betrifft, zeigt „Weiße Flecken, langer Schatten“ (FAZ, 22.04.2025). Der Artikel erinnert an den Beginn des libanesischen Bürgerkrieges vor 50 Jahren. Der gewaltsame Konflikt ist kaum historisch aufgearbeitet, die Erinnerung an ihn stark fragmentiert und politisiert. Die aktuelle Krisenlage lässt weiterhin offen, ob eine kritische Auseinandersetzung in der Zukunft möglich sein wird.
Literaturtipp: 150 Jahre nach der Geburt Thomas Manns fasziniert dessen Leben und Werk noch immer. „Der Bursche ist eine Katastrophe“ (Die ZEIT, 18.04.2025) behandelt die Ereignisse um die Emigration des Schriftstellers aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Einer der vielen guten Gründe, z. B. Manns Tagebücher aus den Jahren 1933/34 zur Hand zu nehmen.
Haben Sie ein schönes Wochenende!
Adrian Strothotte