Center for Uncertainty Studies Blog
CeUS Pressespiegel #13: Zölle, Kaffee und Verlustaversion
Herzlich willkommen zur dreizehnten Ausgabe des CeUS-Pressespiegels!
In diesem Format stelle ich alle zwei Wochen spannende Artikel aus dem deutschsprachigen Journalismus rund um Unsicherheit, Ungewissheit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zusammen. Nach einer kurzen Urlaubspause schaue ich heute in einer etwas längeren Ausgabe auf die dominanten Themen der letzten vier Wochen – im Fokus steht vor allem die ungewisse Zukunft der Weltwirtschaft.
Die Handelspolitik der USA vergrößert die weltweite Unsicherheit. Die Süddeutsche Zeitung begleitet die Veröffentlichung der Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute („Weltweite Unsicherheit: Nur ein Mini-Wachstum für Deutschland“, 10.04.2025) und betont, dass die Prognosen für die deutsche Wirtschaft unsicherer denn je ausfallen. Der bemerkenswerte letzte Satz des Artikels: Es kann auch alles ganz anders kommen.
In den letzten Tagen häufen sich neben Artikeln über wirtschaftliche Unsicherheit im Allgemeinen auch die Texte, die eine Empfehlung für Privatanleger bereithalten: „Warum Anleger jetzt erst mal einen Kaffee trinken sollten“ (FAZ, 09.04.2025) rät zur Besonnenheit im Umgang mit den ETF-Ersparnissen und betrachtet noch zollfreie „sichere Häfen“ des Aktienmarktes.
Dass auch der Kaffee nicht von den wirtschaftlichen Unsicherheiten verschont bleibt, betrachtet die NZZ in „Der Kaffee wird immer teurer“ (31.03.2025). Ungünstiges Wetter und Planungsunsicherheit angesichts der komplexen Bürokratie machen den Produzierenden zu schaffen und treiben, zusammen mit der wachsenden Nachfrage (die freilich mit den Entwicklungen auf dem Aktienmarkt zusammenhängen könnte), die Preise in die Höhe.
Die verteidigungspolitischen Unsicherheiten bleiben ebenfalls an der Tagesordnung. Thomas Ribi reflektiert in der NZZ aus diesem Anlass über Angst als Lebensgefühl der Wohlstandsgesellschaft („Angst zu haben, wird zur moralischen Pflicht“, 11.04.2025). In seinem Artikel, der einen Bogen von Timothy Snyder über Greta Thunberg zu Friedrich Sieburg spannt, klingt immer wieder auch die Lust an der Angst und ihre teils haltgebende Funktion an.
Dass auch Journalismus keine sichere Beschäftigung mit den Problemen aus der Distanz sein muss, zeigen neue Zahlen zur steigenden Anzahl von Übergriffen gegen Medienschaffende. Ann-Kathrin Leclere ordnet die Zahlen für die taz ein („Journalismus ist kein Einzelkampf“, 08.04.2025). Journalismus erscheint bei ihr auch als „Raum für Unsicherheit“, den es zu schützen gelte.
„Wer will schon gern verlieren“ (SZ, 24.03.2025) thematisiert die laufende Diskussion zur Forschung über Verlustaversion (Kahneman & Tversky). Eine neue Metastudie kommt zu dem Schluss, dass die Verlustaversion möglicherweise sehr viel stärker mit dem Forschungsdesign schwankt als bisher angenommen. Auf dem Spiel steht die These, dass für Menschen finanzielle Verluste schwerer wiegen als vergleichbare Gewinne – eine zentrale Annahme der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zu Unsicherheit.
Die Lektüreempfehlung diese Woche: „Keiner wird um etwas bitten“ vom ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan. Die FAZ („Die Sprache ist stärker als die Angst“, 22.03.2025) interviewt den Autor, der sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet hat, anlässlich des Erscheinens seines neuen Geschichtenbandes. Im Zentrum stehen Angst, Unsicherheit und Hoffnung der Bewohner:innen von Charkiw.
Haben Sie ein schönes Wochenende!
Adrian Strothotte